Normfall Examenstrainer
Die Ausführung
1. Übersicht
Dem Benutzer wird zunächst eine Examensklausur präsentiert. Sodann geht der Benutzer
systematisch die fünf zur Lösung erforderlichen Schritte. Jeder einzelne Schritt wird durch einen
erläuternden Text vorbereitet. Darin sind die Regeln enthalten, die für diesen Schritt gelten. Nach
dessen Lektüre (die nur anfangs erforderlich ist - der Benutzer soll diese Regeln ja einüben)
entscheidet der Benutzer, wie der jeweilige Schritt im konkreten Fall auf regelgerechte Weise
ausgeführt wird. Anschließend vergleicht er sein Ergebnis mit den zum jeweiligen Schritt
gespeicherten Lösungshinweisen. Über Internet kann er dabei mit anderen Teilnehmern und dem
Dozenten diskutieren. Für den weiteren Fortgang ist dann die gegebenenfalls anhand der
Musterlösung korrigierte Lösung maßgeblich. Schrittweise entsteht so in Stichworten die Lösung
des Falles. Sie wird nicht linear, sondern hierarchisch, von oben nach unten, von links nach
rechts, auf insgesamt fünf Ebenen entwickelt. Erst wenn jeweils eine Ebene vollständig
abgearbeitet ist, geht der Benutzer zur nächsten Ebene über. Am Schluß steht die (nicht
ausformulierte) Stichwortlösung des Falles. Besondere Sorgfalt wird dabei auf ein einheitliches,
universell verwendbares Gliederungssystem gelegt. Es geht im Lauf der Zeit in Fleisch und Blut
über und bewahrt die Kandidaten zuverlässig vor dem (leider so häufigen) "Gliederungssalat".
Das System simuliert also gewissermaßen das Problemlösungsverhalten eines erfahrenen
Juristen, der dem Studenten bei der Klausurbearbeitung "über die Schulter schaut" und diesem
dabei ständig Hilfen gibt.
2. Die fünf Ebenen
a) Erste Ebene - Sachverhaltsebene
Am Beginn steht immer die Arbeit am Sachverhalt. Die erste Ebene ist daher die
Sachverhaltsebene. Der Kandidat erwirbt das Regelwissen, das ihn dazu befähigt, den
Sachverhalt erforderlichenfalls in verschiedene Komplexe zu zerlegen und diese richtig zu
ordnen und zu benennen. Erst wenn dies vollständig erledigt ist, geht der Kandidat zur nächsten
Ebene über.
b) Zweite Ebene - Personenebene
Auf die Sachverhaltsebene folgt die Personenebene. Der Kandidat erwirbt das Regelwissen,
durch das er imstande ist, in jedem Sachverhaltskomplex die am Konflikt des Falles beteiligten
Personen in ihren Rollen zu erfassen, zu ordnen und richtig zu benennen. Erst wenn dies
vollständig erledigt ist, geht der Kandidat zur nächsten Ebene über.
c) Dritte Ebene - Paragraphenebene
Jetzt beginnt die eigentliche juristische Arbeit. Der Kandidat übt die Fähigkeit ein, alle pro
Person in Betracht kommenden Einstiegsparagraphen (strafrechtliche Tatbestände, zivilrechtliche
Anspruchsgrundlagen...) zu finden, zu ordnen und richtig zu zitieren. Erst wenn dies vollständig
erledigt ist, geht der Kandidat zur nächsten Ebene über.
d) Vierte Ebene - Normalfallösung und Problemkennzeichnungsebene
Auf dieser Ebene setzt der Kandidat sein Normalfallwissen ein, um den normalen, problemlosen
Teil der Klausur schulmäßig zu bearbeiten. Er prüft also die Einstiegsnormen (und
gegebenenfalls die daran anknüpfenden weiteren Normen sowie dogmatischen Rechtsinstitute)
und bejaht oder verneint deren Voraussetzungen, soweit sie fraglos zu bejahen oder verneinen
sind. Dieser Teil der Arbeit wird später ohne jede Begründung im Urteilstil abgehandelt. Denn
was normal ist, versteht sich von selbst und bedarf nicht der Erörterung geschweige denn der
Problematisierung. Nur wenn etwas nicht normal ist, liegt ein "Problem" vor. Der Kandidat setzt
sich damit auf dieser Ebene aber noch nicht auseinander. Er begnügt sich damit, jedes "Problem"
durch ein großes "P" zu kennzeichnen. Ist dies geschehen, geht er zum nächsten Merkmal über.
Erst wenn die vierte Ebene auf diese Weise vollständig erledigt ist, geht der Kandidat zur
nächsten Ebene über.
Bei richtiger Vorgehensweise hat der Kandidat jetzt schon die beruhigende Gewißheit, die
Klausur bestanden zu haben. Er vermeidet es zugleich, sich in - möglicherweise schwierige -
"Probleme" zu verstricken und seine Informationsverarbeitung zur Unzeit zu stören. Er bewahrt
sich seine geistige Frische für die fünfte Ebene auf.
e) Fünfte Ebene - Problemdiskussions- und lösungsebene
Erst auf dieser "Genieebene" befaßt sich der Kandidat mit den (niemals sehr zahlreichen)
"Problemen" des Falles. Er übt das Wissen ein, welches ihn dazu befähigt, die Abweichung des
"Problems" von der zugrundeliegenden Normalität zu analysieren, zu diskutieren und zu
beurteilen. Am Ende steht die Lösung aller Probleme. Die Stichwortlösung ist fertig für die
Niederschrift.
Stand: 26.08.96